Die aufrechten Sozialdemokraten, Unabhängigkeit, Pöstchen und das liebe Geld

 

Was steht an? Die konstituierende Ratssitzung in Mechernich am 17.11 und siehe da: was im Wahlkampf noch den WählerInnen als ausschlaggebend für ein Kreuzchen vorgekaut wurde, ist plötzlich fott und vergessen.

War im Wahlkampf der SPD-Mechernich, die CDU noch der böse Gegner und die UWV die Sommersprosse im Gesicht der Christdemokraten, so sind es nun genau diese Akteure mit denen man sich zu einer Liste vereint.

Noch am 28.08, also nur wenige Zeit vor der Wahl, tönte der heutige Fraktionsvorsitzende der SPD Wassong noch vollmundig: „Aktuell müssen wir dem enormen Flächenverbrauch durch Wohnbebauung gerade im Raume Kommern entgegentreten.
Größere Baugebiete sollten hier nicht mehr ausgewiesen werden. (…) Für die weitere umsichtige Bebauung sollen soziale und ökologische Aspekte und nicht Gewinninteressen im Vordergrund stehen (…)“

Hach nä, wat herrlisch.
Die SPD auf Kurs „weniger Bebauung“ im Kleidchen der ökologischen Aspekte.
Und damit es auch wirklich jeder kapiert, dass man sich von CDU und UWV und dem von diesen beiden, maßgeblich vorangetriebenen Flächenfraß abhebt, gab es als Zückerchen obendrauf noch zwei neue Wahlplakate: „UWV auf CDU-Kurs. Unabhängig war einmal!“ sowie „Transparenz statt Schick“.

Was lesen die geneigten WählerInnen daraus? Die SPD, die aufrechten Gesellen machen kein Ringelpietz mit Anfassen mit der CDU und erst recht nicht mit der UWV.

Jahaa, denkste!

Denn bereits zu Beginn der neuen Periode, also just in dem Moment, wo es um Pöstchen geht und natürlich auch um den schnöden Mammon, da ist all dies nur noch Schnee von gestern und so dürfen wir in der „Listenvereinbarung von CDU und UWV und SPD und Linke“ lesen: „diese Listengemeinschaft ist Grundlage für eine gute und sachliche Zusammenarbeit im Rat der Stadt Mechernich“. Also eine interessante Farbkombination: schwarz, rot, rot und farblos.

Und was bekommt man als aufrechter Sozialdemokrat dafür?
Bestandssicherung beim Vorsitz Ausschuss Schule und beim zweiten stellv. Bürgermeister, denn diese Positionen besetzte die SPD bereits in der Vergangenheit und weil das Geld und Renommee bringt (jaja, ich weiss es ist nur Mechernich und der zweite stellvertretende Bürgermeister ist bestenfalls ein Grußonkel), will man, dem schlechten Wahlergebnis zum Trotz, halten was bisher eigen war.
Die Partei, die auf Bundesebene an Bedeutung und Profil verloren hat wie keine andere und auch (abgesehen vom Landrat) bei den Kommunalwahlen hier verloren hatte, dass es nur so kracht, geht lieber eine Liste mit den selbsterklärten Gegnern ein, als den Arsch in der Hose zu haben ein Wahlergebnis anzuerkennen und sich auch dementsprechend zu verhalten. Mehr noch, jetzt spricht man also sogar schon von „guter und sachlicher Zusammenarbeit“ und die fleissige Beobachterin der Mechernicher Politik weiss durchaus was sie da erwarten darf: Ja und Amen zu den Landschafts, Natur und Naherholungsgebiet zerstörenden Versiegelungsplänen von CDU und UWV.

Nicht dass wir uns falsch verstehen: ich gönne den Genossen den Erfolg Posten zu behalten und vielleicht über eine Fraktionsgemeinschaft mit der Linken (die ja direkt mal den Zusatz Daniel Decker führt), an mehr Geld für die Fraktion, Aufwandsentschädigung für einen stellv. Fraktionsvorsitz und ebensolches für stell. Ausschussvorsitze ins Säckle zu bekommen. Ich gönne aber auch, dass WählerInnen dies bezahlen müssen und manchmal ja vielleicht doch ein Gedächtnis haben. Dieses Paradebeispiel der Selbstverleugnung passt zum Stimmenverlust und ist Bildnis der Profillosigkeit. Well done meine Lieben.

Dass auch die Wahlverlierer Numero Zwo, die CDU light aka UWV sich an jedes Hälmchen der politischen Einflussnahme klammert ist legitim. Denn woran sollten sie sich sonst klammern? Eigene Themen? Fehlanzeige. Format und Rückgrat nur im Schatten der CDU und unter deren Fahne, tja da muss man nehmen was man kriegen kann und hüpft direkt mal in eine Arbeitsvereinbarung die auf gaaar keinen Fall (!) Koalition heissen darf aber eine Präambel und viele tolle Punkte enthält. Aber man will sich ja seine Unabhängigkeit bewahren. Unabhängig bedeutet übrigens „mit Selbstbestimmung frei agieren zu können“. Das lass ich mal so stehen, vielleicht auch weil ich vor lauter Lachen darüber kaum noch tippen kann.

Demokratie geht wohl so. Der Wählerwille war aber ein anderer.

Und nicht das jetzt jemand kommt und sagt „ach Mimimi die Grünen heulen weil sie nix abbekommen“, oder jemand gar denkt, wir hätten nicht auch damit geliebäugelt eine Liste zu bilden. Da bekenne ich einfach mal frei raus: Doch das haben wir!
Liste mit SPD und FDP als echte Opposition aber man konnte uns nicht erklären, warum bei einer solchen Liste beide Posten die zur Verteilung gestanden hätten an die SPD alleine fallen sollte. Also weitere Gespräche – nope.
Und Liste mit der CDU: Joa, aber dann bitte auch mal bisschen was sachlich, fachlich und politisch richtiges ins Verhandlungstöpfchen. Also unser Vorschlag – verteilt was ihr da so verteilen wollt, aber richtet einen weiteren Ausschuss ein, der sich mit den wichtigen Themen Umwelt und Klimaschutz beschäftigt. Wäre übrigens keine lex Mechernich gewesen, denn unzählige Kommunen (Hamm, MG, Much, Rösrath, Lindlar, Pulheim, Leverkusen über Landtag und Bundestag bis hin zu den großen Städten Köln, Düsseldorf etc.) haben einen solchen Ausschuss bereits. Viele Themen (Grün- und Erholungsflächen und deren Pflegestandards (auch im Hinblick auf Biodiversität und Insektensterben), Trinkwasserversorgung, Hochwasserschutz, Bodenschutz, Friedhöfe, Energiepolitik, Klimaschutz, Straßenbegleitgrün, Spielplätze, Ausgleichsflächen, Mechernicher-Kaller-Bleibelastungszone) hätten darin unter Einbeziehung sachkundiger Fachleute und Vereine (z.B. Naturschutzvereine, Imker, Angelverein, ADFC etc.) behandelt werden können.

Aber nein, das wollte man nicht. Solch ein Ausschuss hätte ja den exorbitanten weiteren Bebauungsplänen der Stadt diametral entgegenstehen können.

Da schubst man dann lieber die neuen alten besten Freunde, die erwähnten aufrechten Sozialdemokraten voraus, damit die schnell den Antrag stellen den Bauausschuss – Verzeihung – Stadtentwicklungsausschuss kurzerhand umzubenennen in „Ausschuss für Planung, Verkehr, Umwelt und Klimaschutz“. Voila Problem gelöst.
DAS ist Politik a la Mechernich.

(Nathalie Konias)

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