Statement zum „Siedlungsschwerpunkt“ Firmenich-Obergartzem

In der letzten Sitzung des Ausschusses für Planung, Verkehr, Umwelt- und Klimaschutz am 09.03.2021 wurde von Seiten des Bürgermeisters argumentiert, dass die beiden primären Siedlungsschwerpunkte Mechernich und Kommern nun ausentwickelt seien und man sich daher mit Firmenich-Obergartzem dem Dritten zuwenden müsse. Die vorherige Generation habe sich den Traum vom Einfamilienhaus im Grünen erfüllt, dies könne man der jungen Generation nun nicht verwehren, so die wiederkehrende Argumentation, gefolgt von dem Spagat, Mechernich könne und werde nicht die Wohnungsnot in Köln lösen, müsse aber seinen Teil dazu beitragen. Beispielsweise mit 40 Hektar Bauland mit Nähe zum Autobahnanschluss und zum Bahnhof in Satzvey.

Die Fraktion der Grünen hatte 2003 dem damaligen Gebietsentwicklungsplan mit den Siedlungsschwerpunkten Mechernich, Kommern und Firmenich-Obergartzem im Wesentlichen zugestimmt (wenngleich schon damals bestimmte Punkte ambivalent gesehen wurden und es so auch dazu kam, dass der Bereich Mechernich-Nord und Kommern/Kommern-Süd explizit von den Grünen keine Zustimmung erfuhr). Unser Ziel war es, Entwicklungsbemühungen zu bündeln und eine Zersiedlung der Landschaft und den Verlust der dörflichen Identität der kleineren Ortschaften zu verhindern. Danach richtete sich das Abstimmungsverhalten. Die damaligen Planungen sahen jedoch weder die Größenordnung vor, über die heute gesprochen wird, noch war die Kürze der Zeitachse abzusehen, mit der diese Entwicklungen vorangetrieben werden.

Wir stellen fest, dass die ursprünglich auf Generationen ausgelegten Entwicklungsplanungen in Mechernich und Kommern in weniger als zwanzig Jahren bereits ausgeschöpft wurden. Warum sollten wir also glauben, dass bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen zukünftig in Firmenich- Obergartzem maßvoll und mit der gebotenen Langzeitorientierung entwickelt wird? Wie Stadtplaner Schiefer immer wieder betonte: Die Geschwindigkeit bestimmt die Politik. Es kann im Zweifel also auch schnell gehen.

Parallel wurden in den vergangenen Jahren in mehreren anderen Ortschaften Neubaugebiete in erheblicher Größe geschaffen, die als Dörfer im Dorf eine kaum zu bewältigende Integrationsleistung darstellen. Da hilft es auch nicht, externen Zuzug als zurückkehrende Einheimische zu deklarieren. Ab einem gewissen Umfang ist eine Aufnahme der Neubürger in die Dorfgemeinschaft schlicht fraglich und junge Familien bleiben unter sich. Wie sich ein solches Nebeneinanderher in zehn oder zwanzig Jahren auf das Dorfgemeinschaftsleben auswirken wird, wenn das „Altdorf“ aus Altersgründen als tragende Gemeinschaft ausfällt, die jungen Neubürger aber eigene Strukturen und Traditionen geschaffen und an ihre Kinder weitergegeben haben, kann man sich ausmalen. Die schlichte Gleichung der CDU-Fraktion „mehr Baugebiete gleich überlebendes Dorfleben“ wird jedenfalls nicht aufgehen.

Zuletzt sei noch angemerkt, wie kurzsichtig die Argumentation des Bürgermeisters ist, man könne der jungen Generation nicht versagen, was man sich selbst in Form des Einfamilienhauses zugestanden hat. Land(schaft) ist eine endliche Ressource. Ja, frühere Generationen haben sich an diesem Kuchen mit beiden Händen bedient, aber mit der Attraktivität des Ländlichen wird es schnell vorbei sein, wenn sie sich nur noch auf wenige Ackerflächen eingezwängt zwischen Großgewerbe und gleichförmigen Einfamilienhaussiedlungen beschränkt. Durch die neue gesellschaftliche Realität brauchen wir mehr Angebote für Single-Haushalte und Haushalte mit zwei Berufstätigen, also Menschen, denen aus Zeitmangel auch ein geteilter Garten oder ein eigener Balkon als Freifläche ausreicht. Dies würde auch verhindern, dass sich biologisch tote Schottergärten und lieblose Rasenflächen als gestalterischer Standard des Einfamilienhauses in unseren Dörfern durchsetzen. Wir erleben diese andere Art der Nachfrage jedoch nicht, weil wir überwiegend gar nicht erst versuchen, hierfür ein Angebot zu schaffen. Durch den Siedlungsdruck aus den Ballungsgebieten verbrauchen wir unser rares Gut Land auch problemlos vollständig mit Einfamilienhäusern. Bezahlbarer Wohnraum für unsere Mitbürger, für die der „Traum vom Einfamilienhaus im Grünen“ schon finanziell ein Traum bleiben wird, kommt in den Vorstellungen des Bürgermeisters von der gutsituierten, klassischen Familie als Neubürger im Eigenheim dagegen erst gar nicht vor.

Wir hoffen daher, dass im Rahmen der Beteiligung der Bürger in Firmenich-Obergartzem der maßlosen Landverschwendung Einhalt geboten wird. Unsere Zustimmung kann und wird es in der vorgestellten Form jedenfalls nicht geben.

(Jan-Christoph Buchholz)

4 Kommentare

  1. Hans Schmidt

    Warum werden nicht erst die Lücken in Obergartzem geschlossen und vorhandene alte Substanz saniert und genutzt.

  2. Kurt Schröder

    Ich kann so ein Vorhaben nur mit einem Kopfschütteln beantworten, man stelle sich das einmal bildlich als Anwohner der beiden betreffenden Ortschaften vor, die eine Seite mit dem Hochwald-Betonturm und jetzt die andere Seite zugepflastert mit 40ha. Einfamilienhäuser.. wohlmöglich noch mit Schottervorgarten und dahinter einfallslosen monotone Rasenflächen. Wo bleibt da die Lebensqualität der Menschen übrig, die jetzt dort schon wohnen? machen sich die regierenden Politiker überhaupt noch Gedanken darüber? haben sie schon vergessen wie sie rumgeeiert haben damit sie überhaupt genügend Wasser für die Milchfabrik bekommen konnten?
    Man kann nur hoffen das sich die Bewohner der beiden Dörfer mit allen Mittel dagegen wehren.

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